
Hillgärtner, Jule: Krieg darstellen
Die Medienwissenschaftlerin Jule Hillgärtner stellt die zentralen Aspekte der Kriegsdarstellungen heraus, indem sie sowohl Kriegsberichterstattungen von Thukydides bis James Nachtwey, fotografische Darstellungen (z.B. Maurizio Gambarini und Anja Niedringhaus) als auch performative Darstellungen (z.B. von Ryan Chilcote und Walter Rodgers) in ihre Untersuchung miteinbezieht. Jeder Krieg sah und sieht anders aus, obwohl die offiziellen Darstellungen meist auf dasselbe abzielen: Mittels detailgetreuer Malerei, fotografischer Augenzeugenschaft oder durch Direktübertragung per Video soll jene Glaubwürdigkeit demonstriert werden, welche die Bilder 'echt' und den Krieg notwendig erscheinen lassen. Dabei fungiert das Bildmaterial nicht nur als Waffe, vielmehr motiviert der Entstehungsprozess der Bilder selbst zum kriegerischen Akt. Zwischen Krieg und dessen visueller Darstellung zu unterscheiden, wird zunehmend fragwürdig. - Kriegsberichterstattung wandelt sich: im komplexen Verhältnis zu Entwicklungen der Militärtechnik, in den spezifischen Ausformungen eines jeweiligen Krieges und in den Bedingungen, die sich daraus für den Journalismus ergeben. Im Irakkrieg 2003 trat erstmals der sogenannte "Embedded Journalist" vor die Kameras. Zwar ist das Phänomen eines Vermittlers vom Ort des Geschehens keineswegs neu, jedoch erweist sich diese jüngste, von zeitlicher, räumlicher und emotionaler Unmittelbarkeit geprägte Form des Kriegsberichts als Zuspitzung alles Vorherigen. Ein zunehmend flüchtiger Gestus, wie er derzeit von professionellen, in militärische Strukturen eingebundenen Journalisten vorgeführt wurde, zeigt sich inzwischen auch in der Berichterstattung zahlreicher Amateure, die ihre Kameras allgegenwärtig einsetzen, um Bildmaterial über das Internet zeitnah zu verbreiten. Zwischen professioneller und amateurhafter Darstellung strikt zu unterscheiden, ist daher kaum noch möglich, zumal Stilmittel und Medien für alle dieselben sind. Für die Handhabung von Fotografie und Video ist das ebenso charakteristisch wie verhängnisvoll, und bedingt zugleich die Crux und die Chance einer eingebetteten Berichterstattung im Krieg. 459 Seiten mit 33 Farb- und 159 s/w-Abb., broschiert (Kaleidogramme; Band 83/Kulturverlag Kadmos 2013) leichte Lagerspuren