Sieferle, Rolf Peter: Bevölkerungswachstum und Naturhaushalt
Studien zur Naturtheorie der klassischen Ökonomie. Aus dem Inhalt: 1. Adam Smith und die Ökonomie der Natur; - 2. Das Gleichgewicht von Natur und Bevölkerung; - 3. Malthus und die düstere Wissenschaft; - 4. Wirtschaftswachstum und stationärer Zustand; - 5. Pauperismusfurcht und Bevölkerungspolitik; - 6. Technischer Fortschritt und soziale Mobilität; - 7. Die Theologie des demographischen Übergangs; - 8. Selbstorganisation und Krise. -- Das Verhältnis von »Ökonomie« und »Ökologie« scheint gegenwärtig fundamental gestört. Die allenthalben zu beobachtenden Umweltzerstörungen legen den Schluss nahe, dass die Ökonomie, der Haushalt der menschlichen Gesellschaft, mit der Ökologie, dem Haushalt der Natur, in einen schwerwiegenden Konflikt geraten ist. Auf der Suche nach einem besseren Verständnis dieser Entwicklung kann auch die Geistesgeschichte einen sinnvollen Zugang bilden. Es fragt sich daher, unter welchen ideengeschichtlichen Voraussetzungen die klassische ökonomische Theorie entstanden ist, welche Annahmen über die »Natur« sie explizit und implizit enthält und auf welche Weise sie mit konkreten Problemen der Naturvoraussetzungen gesellschaftlicher Produktion umgegangen ist. Rolf Peter Sieferle beginnt seine Studie mit einer Rekonstruktion der Naturtheorie von Adam Smith. Es zeigt sich, dass die von Smith in klassischer Gestalt formulierte Politische Ökonomie auf der Annahme einer natürlichen Teleologie beruht, die ihrerseits auf im zeitgenössischen Kontext hochplausiblen Argumentationsmustern der natürlichen Theologie basiert. Ein prinzipieller Konflikt zwischen Ökonomie und Naturhaushalt ist deswegen ausgeschlossen, weil dieser Zusammenhang in die genuine Domäne Gottes gehört. Das »kritische« Scharnier zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Natur, zwischen Moral und Physik, liegt in dem Verhältnis zwischen menschlicher Bevölkerung und ihrer Subsistenz. Im Rahmen einer umfassenden Ordnungsvermutung war daher auch unterstellt, dass eine grundsätzliche Harmonie zwischen Bevölkerungswachstum und Nahrungsgrundlage existieren musste. In dem Maße nun, wie Gesellschaft, Wirtschaft und Politik mobilisiert wurden, geriet die Möglichkeit ins Visier, dass die knappe, gleichwertige und »stationär« konstituierte Natur in Konflikt mit einer in Bewegung geratenen Geschichte geriet. In der Malthusdebatte des frühen 19. Jahrhunderts wurde dieser Konflikt offen und polemisch formuliert. Sieferle zeichnet den Verlauf der Malthusdebatte in ihren unterschiedlichen Ausprägungen in England und Deutschland nach. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die klassische politische Ökonomie bis in Detailtheoreme hinein von ideologischen Grundannahmen geprägt ist: Die Natur spielt in ihr, ähnlich wie der Wirtschaftsprozess selbst, mit gezinkten Karten. Die marktwirtschaftliche Ökonomie thematisiert daher nicht einen wirklich »offenen« Prozess der Selbstorganisation, in dessen Rahmen auch mit ungünstigen, ja selbstzerstörerischen Resultaten zu rechnen wäre. Eine solche Ideologie wirkt entlastend und legitimierend; ein wirkliches Verständnis der Umweltkrise und des sich selbst organisierenden Verhältnisses von »Ökonomie« und »»Ökologie« ist auf dieser paradigmatischen Grundlage jedoch nicht möglich. Stattdessen sollte akzeptiert werden, dass jenseits einer natürlichen Teleologie der Prozess von Gesellschaft und Natur als wirklich offener, und das heißt gefährlicher Vorgang gedacht werden muss". 256 Seiten, gebunden (Suhrkamp Verlag 1990) leichte Lagerspuren












