Inspiration und Adaptation

Tarnkappen mittelalterlicher Autorschaft. Hrsg. von Renate Schlesier und Beatrice Trînca. Acht Beiträge behandeln die Entwicklung auktorialen Selbstbewusstseins und dichterischer Autonomie ab dem 12. Jahrhundert in der lateinischen und in der volkssprachigen Literatur. - Während mittelalterliche Theologen das Schöpfertum Gott allein vorbehalten wollen, beanspruchen Autoren weltlicher und religiöser Texte insbesondere ab dem 12. Jahrhundert mehr oder weniger explizit dieses Privileg für sich. Acht Beiträge, hervorgegangen aus einer Tagung (Berlin 2006), zeigen, dass es sich dabei keineswegs um Brüche mit der Tradition handelt. Autorschaftsvorstellungen wie die Inspiration und das Wiedererzählen einer Vorlage werden in der lateinischen und in der volkssprachigen Literatur der Zeit übernommen und transformiert, so dass sie letztlich auktoriales Selbstbewusstsein und dichterische Autonomie zum Ausdruck bringen - trotz theologischer Verbote und der Poesiefeindlichkeit normativer Diskurse. Ein Ausblick auf die Renaissance, in der literaturtheoretische Schriften die Kreativität explizit bejahen, verweist durch den Kontrast zum einen auf die spezifisch mittelalterlichen Möglichkeiten der poetischen Produktion und Reflexion und zum anderen auf eine Autonomietradition, an die Renaissance-Denker anknüpfen konnten. Aus dem Inhalt: D. Klein: Inszenierungen inspirierter Autorschaft in der Literatur der Vormoderne. - E. Schmid: Erfinden und Wiedererzählen. - J. Quinlan: Darstellungen dichterischen Selbstbewusstseins bei Ulrich von Zatzikhoven. - W. Haug: Die theologische Leugnung der menschlichen Kreativität und die Gegenzüge der mittelalterlichen Dichter. - B. Trînca: Der Sinn der Dichtung (des Dichters) bei Chrétien de Troyes und Hartmann von Aue. - C. Laude: Erzählinstanzen (in) der mittelalterlichen Epik. - G. Regn: Prophetische und poetische Inspiration in Dantes Paradies. - C. J. Steppich: Die Begründung der dichterischen Kreativität in "De Poetica et Carminis Ratione" (Wien, 1518) des Joachim Vadian. 175 Seiten, Leinen (Spolia Berolinensia. Berliner Beiträge zur Geistes- und Kulturgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit; Band 29/Weidmann Verlag 2008)