
Leo, Per: Vorletzte Lockerung
Texte zum Nachleben des Nationalsozialismus. Der Nationalsozialismus hat zwei Geschichten: seine Vergangenheit und die Fortdauer von etwas, das nicht vergeht. In 15 sehr unterschiedlichen Texten zeigt Leo, dass Geschichte konkret und lebendig werden muss, wenn sie im Sinne Nietzsches dem Leben dienen soll. - 15 Texte, die sich auf keinen gemeinsamen Gattungsbegriff bringen lassen: Konzeptionelle Überlegungen stehen neben literarischen Phantasien, Essays neben Reden, Zeitungsartikel neben Briefen, reale Interviews neben fiktiven Gesprächen. Wenn es ein Gravitationszentrum gibt, um das all diese Texte kreisen, dann ist es das hartnäckige Nachleben, das der Nationalsozialismus fast achtzig Jahre nach seinem Ende noch immer unverdrossen führt. Die Formulierung ist absichtlich unscharf. Sie soll darauf verweisen, dass es sich um einen historischen Stoff handelt, der weiterhin Macht über unsere Köpfe und Herzen ausübt. Der durch keine These einholbaren Vielfalt, mit der das tagtäglich geschieht, entspricht die Verschiedenheit der Schreibanlässe und Stile. Und eigentlich haben wir es sogar mit zwei Stoffen zu tun, oder genauer gesagt, mit zwei historischen Aspekten: der Zeit des Nationalsozialismus als solcher und der Bedeutung, die man ihr ihr in der Gegenwart jeweils beimisst. Der Ton dieser Texte ist unverwechselbar. Sie mahnen nicht zur Erinnerung, sie warnen nicht vor Wiederholung. Vielmehr zeigen sie, dass Geschichte konkret und lebendig werden muss, wenn sie im Sinne Nietzsches dem Leben dienen soll. Ob er berichtet oder analysiert, erzählt oder streitet, lobt oder dankt - Leo findet zur Sprache, wo sonst die Phrasen blühen. Der Nationalsozialismus hat zwei Geschichten: seine Vergangenheit und die Fortdauer von etwas, das nicht vergeht. Per Leos Schreiben bezeugt beides. Ausgehend von der eigenen Familiengeschichte wendet sich der Historiker immer stärker der Gegenwart zu. Er spricht nun auch als Chronist, der beobachtet, wie sich die jüngste Geschichte in ihrem Nachleben spiegelt. Die Texte dieses Bandes lesen sich daher wie das Protokoll eines Wandels. Aus dem Kind der alten Bundesrepublik, das im Nachdenken über die Vergangenheit zu sich selbst findet, ist ein Bürger der neuen Bundesrepublik geworden. Seine Fragen gehen uns alle an. Wie spricht man von einem Entsetzen, das kulturell längst tausendfach überformt ist? Ist Björn Höcke wirklich das Spiegelbild von Joseph Goebbels, oder erschreckt uns nur seine Maske? Was tun, wenn uns Hitler fasziniert? Wie verträgt sich die Erinnerung an den Holocaust mit den Konflikten einer Einwanderungsgesellschaft? »Leo hinterfragt die deutsche Erinnerungskultur wie keiner vor ihm« Peer Teuwsen, NZZ am Sonntag. 383 Seiten, gebunden (Klett-Cotta 2023) Mängelexemplar