
Differenzierung und soziale Ungleichheit
Die zwei Soziologien und ihre Verknüpfung. Hrsg. von Thomas Schwinn. Soziale Ungleichheit habe heute ihre zentrale strukturelle Bedeutung verloren; moderne Gesellschaften seien durch einen Primat funktionaler Differenzierung gekennzeichnet und in Abhängigkeit davon rücke soziale Ungleichheit in den Hintergrund. Mit wenigen Ausnahmen hat diese provokative Behauptung Niklas Luhmanns auf Seiten der Ungleichheitsforscher keine Reaktionen hervorgerufen. Das ist symptomatisch für das wechselseitige Nichtwahrnehmen der beiden soziologischen Traditionen. Sieht man von dem Intermezzo der Diskussion um die funktionalistische Schichtungstheorie in den vierziger bis sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ab, entwickeln beide Forschungstraditionen ihre Themen und Fragestellungen weitgehend unabhängig voneinander, und man gewinnt den Eindruck, es werden jeweils zwei verschiedene Gesellschaften beschrieben. Das ist ein unbefriedigender Zustand. Die beiden makrosoziologischen Hauptkonzepte können nicht isoliert voneinander zufriedenstellend entwickelt werden. Die Beiträge dieses Bandes zeigen auf vielfältige Weise, dass die zentralen soziologischen Problemfelder - Formen der Exklusion und Inklusion; die Geschlechter- und die ethnische Problematik; Ungleichheiten in Interaktionen, Organisationen, dem Arbeitsmarkt und in dem unter Erosionstendenzen leidenden Nationalstaat; Dynamik und Wachstum der Teilsysteme und daraus resultierende Folgeprobleme etc. - sich mittels einer Kombination von Differenzierungs- und Ungleichheitsanalyse angemessener erfassen lassen: Dank einer Kombination der beiden Soziologien kann man mehr sehen und erklären und weiter blicken als die einzelne Tradition, die nur über eine Perspektive verfügt.-- Aus dem Inhalt: Thomas Schwinn: Institutionelle Differenzierung und soziale Ungleichheit. Die zwei Soziologien und ihre Verknüpfung. - Thomas Schwinn: Ständische Verhältnisse und Ordnungsbildung vom Mittelalter bis in die Neuzeit. - Hans-Joachim Giegel: Gleichheit und Ungleichheit in funktional differenzierten Gesellschaften. - Michael Vester: Die Gesellschaft als mehrdimensionales Kräftefeld. - Martin Groß und Bernd Wegener: Institutionen, Schließung und soziale Ungleichheit. - Nicole Burzan und Uwe Schimank: Inklusionsprofile - Überlegungen zu einer differenzierungstheoretischen »Sozialstrukturanalyse«. - Lutz Leisering: Desillusionierungen des modernen Fortschrittsglaubens. »Soziale Exklusion« als gesellschaftliche Selbstbeschreibung und soziologisches Konzept. - Hartmut Esser: Akteure und soziale Systeme. - Gerd Nollmann und Hermann Strasser: Soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Differenzierung. Handlungstheoretische Grundlagen von scheinbar unverträglichen Konzepten. - Armin Nassehi: Inklusion, Exklusion, Ungleichheit. Eine kleine theoretische Skizze. - Rudolf Stichweh: Zum Verhältnis von Differenzierungstheorie und Ungleichheitsforschung. Am Beispiel der Systemtheorie der Exklusion. - Nina Degele: Differenzierung und Ungleichheit. Eine geschlechtertheoretische Perspektive. - Michael Bommes: Zur Bildung von Verteilungsordnungen in der funktional differenzierten Gesellschaft. Erläutert am Beispiel "ethnischer Ungleichheit" von Arbeitsmigranten. - 434 Seiten, broschiert (Humanities Online 2004) leichte Lagerspuren