Fischer, Hans: Die Hamburger Südsee-Expedition
Über Ethnographie und Kolonialismus. Mit einem Vorwort von Bettina Beer. Hans Fischer dokumentiert eine für die Interessen des deutschen Kolonialismus besonders aufschlussreiche »völkerkundliche« Unternehmung: Anhand der von 1908 bis 1910 von Hamburger Kaufleuten und dem Senat der Hansestadt ausgerichteten Südsee-Expedition zeigt sich anschaulich, wie Wirtschaftsinteressen, Kolonialpolitik und Rassismus eine auch von ehrlichen Forschungsinteressen getragene Unternehmung beeinflussten und ihr eine historische Besonderheit verliehen. Heute, angesichts der Debatten über das, was in europäische Museen gehört oder als Raubgut zurückgegeben werden soll - nicht zuletzt auch angesichts der Diskussionen um die Präsenz des polynesischen Prachtboots, der ethnologischen Ikone im Berliner Humboldt Forum -, ist dieser Bericht aus der kolonialistischen Praxis von großer Aktualität. Die Fallstudie der Südsee-Expedition verdeutlicht die unhinterfragte Übernahme kolonialer Ziele sowie verbreitete rassistische Haltungen der Wissenschaftler in ihrer jeweils unterschiedlich starken Ausprägung etwa bei der Beantragung von Forschungsgeldern, gegenüber der Kolonialverwaltung oder im direkten Umgang mit den Menschen vor Ort. Fischer beschreibt die damalige Antragsrhetorik, die wissenschaftlichen Zielsetzungen und das Vorgehen der Expeditionsteilnehmer. Aus unterschiedlichsten Quellen wie den »offiziellen« Tagebüchern, aus Briefen und Publikationen kann er Voreingenommenheit, Ziele, Konflikte und die in sich häufig widersprüchlichen und teils konträren Haltungen rekonstruieren. Heute würde die Expedition als »transdisziplinär« gelten. Der Hintergrund der Teilnehmer reichte von humanistisch sprachwissenschaftlicher und künstlerischer Ausbildung über medizinisch-praktische Erfahrung (Schiffs- und Tropenärzte) bis zum Studium der Geographie, physischen Anthropologie, Völkerkunde und Zoologie. Der Band gliedert sich in elf Kapitel: 1. Vorwort mit Bibliographie; 2. Einleitung; 3. Das wissenschaftliche Ziel; 4. Die koloniale Aufgabe; 5. Der äußere Ablauf; 6. Die Teilnehmer; 7. Die Methode der Forschung: Erstes Jahr; 8. Veränderung der Forschungsmethode: Zweites Jahr; 9. Sammeln; 10. Kolonialismus: Ausübung von Macht; 11. Kolonialismus: Einstellung und Urteil. - 287 Seiten mit 12 Tafeln und drei Karten, broschiert (Berenberg Verlag 2022)












