Taube & Franzbrot
Das Lübecker Hauskochbuch der Familie Mann. Mit einem Vorwort hrsg. von Felix Höpfner. In Thomas Manns Werken wird gut, gern und üppig gegessen, gespeist, geschlemmt. Felix Höpfner präsentiert eine Auswahl aus der bis ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Sammlung von Rezepten aus dem Lübecker Haushalt der Kaufmannsfamilie Mann - einfache, aber auch ausgefallene und aufwendige Gerichte. Sie laden zu eigener literaturgeschichtlicher Spurensuche ein - und natürlich zum Nachkochen. Das "ererbte Kochbuch" der Familie Mann bezaubert durch seinen altertümlichen Charakter - die ungelenke Sprache und Orthographie, die längst in Vergessenheit geratenen Gerätschaften, die sonderbaren Mengen- und Gewichtsangaben - und nicht zuletzt die Tatsache, dass wir eine (wenn auch nur marginale) Quelle der Buddenbrooks vor uns haben. Zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine streng diplomatische, wort- und buchstabengetreue Wiedergabe verzichtet. Maxime des Herausgebers war die stellenweise behutsame Literarisierung und Modernisierung der Texte, ohne in ihre historischen Sprach- und Stileigentümlichkeiten verfälschend einzugreifen. - In Thomas Manns Erzählungen und Romanen wird gut, gern und üppig gegessen, gespeist, geschlemmt, gefrühstückt, soupiert, diniert, eine Kollation genommen, zuweilen eine orgiastische Völlerei veranstaltet und kaum eine Gelegenheit versäumt, kulinarischer Umstände Erwähnung zu tun, beginnend mit der scheinbar beiläufigen Bezeichnung des einen oder anderen Nährguts, endend bei der umständlichen Schilderung gediegener Festessen mitsamt deren unausbleiblicher Konsequenzen für das anschließende Wohlbefinden des Gourmets von unzureichend resistenter Konstitution. Das "ererbte Kochbuch" ist eine handschriftliche Sammlung von Rezepten und Kochanleitungen, zusammengestellt von Köchinnen in Diensten der Familie Mann oder ihrer Verwandtschaft. Die Rezepte geben Einblick in die großbürgerliche Küche Lübecks zur Zeit der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert. Man kochte auf offenem Feuer von Holz oder Holzkohle. Dementsprechend wurden die Hitzegrade durch die Beschaffenheit des Feuers bezeichnet. Die Abstufungen reichen von "gelindem" und "mäßigem", "mittelmäßigem" und "halbem" bis zu "starkem", "raschem" oder "hellem Feuer". Im Kochbuch finden sich einfache, aber auch ausgefallene und aufwendige Gerichte, die einer gewissen Raffinesse nicht entbehren und von der Tendenz der feinen lübischen Gesellschaft zum französischen Lebensstil zeugen. An mannigfaltigen Gewürzen und Zutaten hatte man in der Hansestadt ja keinen Mangel. Nicht überraschen kann die Vielzahl der Fischgerichte und -zubereitungen. Speziell in Rotwein gekochter Karpfen muss ein sehr beliebtes Gericht gewesen sein, man findet es in vielen älteren norddeutschen Rezeptsammlungen. Modellhaften Charakter hat wohl auch der "Schinken mit Burgunder und Zwiebeln", wie er ähnlich und in kolossaler Größe den Buddenbrooks serviert wird, und an die "Sauerampfe mit Corinthen" des heimischen Haushalts mag Thomas Mann vielleicht gedacht haben, als er Herrn Permaneder dieses delikate norddeutsche Gericht verschmähen ließ. Weitere quellenkritische Studien zu betreiben, bleibt dem geneigten Leser vorbehalten. Das "ererbte Kochbuch" der Familie Mann, aus dem hier erstmals eine Auswahl von Rezepten veröffentlicht wird, wurde um 1780 zu schreiben begonnen, ging später in den Besitz Heinrich Manns über und befindet sich in seinem Nachlass im Heinrich-Mann-Archiv der Berliner Akademie der Künste. 3. Auflage. 96 Seiten mit 58 Abb., broschiert (Universitätsverlag Winter 2004)












