
Wissenschaftliche Bibliothekare im Nationalsozialismus
Handlungsspielräume, Kontinuitäten, Deutungsmuster. Hrsg. von Michael Knoche und Wolfgang Schmitz. Im Zentrum der 16 Beiträge stehen Angehörige des Höheren Bibliotheksdienstes, und zwar insbesondere unpolitische Mitläufer und regimekritische Beamten. Wie verhielten sie sich während der NS-Zeit? Gab es Spielräume, die sie nutzen konnten? Spielte das Berufsethos der wissenschaftsverpflichteten Unparteilichkeit eine Rolle? Wie bewerteten sie im Nachhinein ihr Handeln? Die Beiträge gehen zurück auf die Tagung "Bibliothekare im Nationalsozialismus", die vom 7. bis 9. Dezember 2009 in Weimar stattfand. "Mit dem [...] reich illustrierten Tagungsband haben Autoren und Herausgeber einen bedeutenden Beitrag zur besseren Erforschung der Bibliotheksgeschichte des Dritten Reiches geleistet" (Manfred Komorowski, IFB - Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft). - Der Band verfolgt das Ziel, das Verhalten einzelner leitender Persönlichkeiten des wissenschaftlichen Bibliothekswesens zu beleuchten; die Denk- und Handlungsräume gerade solcher Vertreter der Berufsgruppe, die dem Regime kritisch oder als unpolitische Mitläufer gegenüberstanden, sind noch längst nicht erschöpfend ausgelotet. So liegt der Fokus auf Bibliothekaren, die ihre Karriere nach 1945 fortsetzen konnten. Dabei standen folgende Fragenkomplexe im Vordergrund: Welche Handlungsspielräume konnten sie ausnutzen? Welche intellektuellen und wissenschaftlichen Voraussetzungen haben ihnen eine Abgrenzung zum nationalsozialistischen Wissenschaftssystem ermöglicht? Haben sie das neue Regime als kategorialen Bruch zu ihrem eigenen Wert- und Ordnungssystem verstanden? Was haben die Bibliothekare anders gemacht als ihre der NS-Ideologie hörigen Kollegen? Oder haben sie nur geschickt den Entnazifizierungsprozess überstanden? Über die eigentliche Thematik hinaus gibt der Tagungsband einen sehr interessanten Einblick in die Frage, wie die NS-Ideologie das Handeln und die Entscheidungen in primär nicht politischen, kulturellen Institutionen beeinflusste. - Aus dem Inhalt: Michael Knoche und Wolfgang Schmitz: Einführung. - Werner Arnold: Bibliothekare und Bibliotheken im Nationalsozialismus. - Dagmar Jank: Wissenschaftliche Bibliothekarinnen im Nationalsozialismus. - Christina Köstner-Pemsel: Österreichische Bibliothekare im Nationalsozialismus. - Astrid M. Eckert: Archivare im Nationalsozialismus. Zum Forschungsstand. - Roland Bärwinkel: Ein Mann von "ungewöhnlicher Begabung". Die Thüringische Landesbibliothek Weimar in der Zeit Hermann Blumenthals 1939-1941. - Konrad von Rabenau: Bibliotheksleitung und persönliche Orientierung. Anmerkungen zu Otto Glauning (Leipzig), Theodor Lockemann (Jena) und Hermann Blumenthal (Weimar). - Sven Kuttner: "Heil Hitler, unser deutscher Gruss, bei uns man ihn erweitern muss ..." Adolf Hilsenbeck und die Universitätsbibliothek München 1933-1938. - Susanne Wanninger: Die Bayerische Staatsbibliothek unter Rudolf Buttmann. - Louisa Gemma Wickert: Die Persilscheinfabrik. Entnazifizierung und Personal am Beispiel der Universitätsbibliothek München. - Wilfried Enderle: Karl Julius Hartmann als Direktor der Universitätsbibliothek in Göttingen (1935-1958). - Christiane Hoffrath: Hermann Corsten in Köln. - Lothar Poethe: Die Deutsche Bücherei, ein "... schlagkräftiges Instrument für die Erfüllung ihrer satzungsmässigen Aufgaben und der ihr vom Ministerium erteilten Aufträge ...". Heinrich Uhlendahl in Leipzig. - Konstantin Hermann: Die Sächsische Landesbibliothek 1933-1945: Martin Bollert und Hermann Neubert. Zwei Epochen in zwölf Jahren? - Antonius Jammers: Hugo Andres Krüss und der Verein der Freunde der Preußischen Staatsbibliothek in der Zeit des Nationalsozialismus. - Klaus G. Saur: Bibliothekare im Exil 1933-1945. - Jürgen Elvert: Die Biographie in der heutigen Geschichtswissenschaft. - 381 Seiten mit 14 Abb., gebunden (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens; Band 46/Harrassowitz Verlag 2011)