
Neumann, Franz L.: Die Herrschaft des Gesetzes
Eine Untersuchung zum Verhältnis von politischer Theorie und Rechtssystem in der Konkurrenzgesellschaft. Übersetzt und mit einem Nachwort von Alfons Söller. Franz L. Neumann hat seine 1936 geschriebene Arbeit über 'Die Herrschaft des Gesetzes' als »soziologischen Beitrag zu einer Theorie der modernen Gesellschaft« charakterisiert. Im ersten Teil grenzt er die Sphären der Rechtsdogmatik, der Rechtsphilosophie und der Rechtssoziologie voneinander ab. Für die Rechtstheorie sucht er nach einer Position, in deren Zentrum - im Anschluss an Max Weber - eine soziologische Lehre von der Staatssouveränität und eine juristisch formulierte, jedoch soziologisch informierte Typologie der Grundrechte stehen. Im zweiten Teil arbeitet Neumann in der Auseinandersetzung mit den Klassikern der Rechts- und Staatstheorie die Konturen eines gesellschaftstheoretischen Rechtsbegriffs heraus. Die Entzauberung oder Positivierung des Rechts wird als zwieschlächtiger Prozess beschrieben, der mehr Freiheit und ethisch gebundene Rationalität verspricht, gleichzeitig aber mehr Machtakkumulation und damit mehr Chancen ethisch entkoppelten Machtmissbrauchs bereitstellt. In dieser Ambivalenz deutet sich im Widerspruch zwischen Recht und Macht, zwischen Freiheit und Souveränität die Grundlage für die Formulierung eines gesellschaftstheoretischen Konzepts von Rationalisierung an. Im dritten Teil versucht Neumann, den Begriff der Gesetzesgeneralität systematisch als Zentrum der rechtlich gebundenen Herrschaft herauszuarbeiten. In der Gesetzesgeneralität zeigt die bürgerliche Gesellschaft ihre Fortschrittlichkeit und ihre Grenzen: die Ambivalenz der Rationalisierung. Der liberale Staat verwirklichte einen Typus von Rationalität, der ein gewisses Maß an »Gerechtigkeit« institutionell garantierte. Demgegenüber erscheint die weitere Rechtsentwicklung, die Neumann in den abschließenden Passagen seines Buches vom Liberalismus über die monopolkapitalistische Massendemokratie bis zum Faschismus aufzeichnet, als Verfallsgeschichte, als progressive Verzehrung und Vernichtung jenes relativen Rationalitätspotentials, das im Liberalismus angelegt war. 380 Seiten, gebunden (Suhrkamp Verlag 1980) textsauber, Schnitt und Seitenränder stockfleckig, mit altersbedingten Lager- und Gebrauchsspuren