Funktionen der Fantastik
Neue Formen des Weltbezugs von Literatur und Film nach 1945. Hrsg. von Sonja Klimek, Tobias Lambrecht und Tom Kindt. Während der Fantastik in der Literatur um 1800 und um 1900 vorwiegend erkenntniskritische Funktionen zukamen, die den gängig gewordenen Wirklichkeitsbegriff der Aufklärung bzw. des Realismus problematisierten, erfüllt Fantastik in der Kunst des fortschreitenden 20. Jahrhunderts zunehmend andere Aufgaben. Zehn Aufsätze analysieren Funktionen der Fantastik in Literatur und Film von 1945 bis in die Gegenwart. Dort werden neue Formen des Weltbezugs erprobt - und zwar gerade durch die Fantastik-, zum Beispiel durch irritierende oder auch als fraglos anzunehmende Hybridformen der offen ausgestellten Fiktionalität. Durch das freie Verfügen über die künstlerischen Traditionen sowohl der Moderne als auch der Postmoderne etablieren sich nach 1945 neue, komplexe Konzepte der Selbst- und Weltreferenz von Fantastik in darstellenden Medien wie Literatur und Film. In einzelnen thematischen Beiträgen wird aus unterschiedlicher Perspektive der Weltbezug untersucht, der nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend auch und gerade in fantastischen Medien und Textsorten gesucht wird. Dabei wird 'Fantastik' hier vorerst in einem weiteren Sinne verstanden. Der Band versammelt Einzelinterpretationen zu Texten und Filmen, welche zwar zumeist von einer realistischen Erzählwelt ausgehen, diese aber durch diverse Verfahren oder Ereignisse destabilisieren und so - zumindest vorübergehend - das "Zwei Welten-Kriterium" der Fantastik erfüllen. Der Fokus richtet sich dabei auf die Fremd- bzw. Heteroreferenz dieser Texte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die unmittelbare Gegenwart hinein. Die zeitliche Eingrenzung ergibt sich aus der diesem Band zugrunde liegenden Annahme, dass die Aussage- oder die Darstellungsfunktion von Fantastik in diesem weiten Sinne einem starken historischen Wandel unterliegt. - Die Beiträge gehen zurück auf die komparatistische zweite "Mimesis"-Tagung, die unter dem Titel "Fiktionalität, Mimesis, Realismus und Phantastik - Konzepte des "Weltbezugs" von Literatur und ihre Bedeutung für die Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft heute" am 13. Dezember 2013 an der Universität Freiburg im Üechtland/CH stattfand. -- Aus dem Inhalt: Sonja Klimek: Was die Zuschauer jetzt sehen und die (Film-)Theater spielen wollen. Mediale Selbstreflexion, Weltbezug und Fantastik in Rudolf Jugerts 'Film ohne Titel' (1947/48) und Wolfgang Borcherts 'Draußen vor der Tür' (1947). - Matei Chihaia: Fantastik und Metafantastik: Julio Cortázars Theorie der 'figura'. - Torsten W. Leine: "Agens der Tiefe". Zur Destabilisierung 'realistischer Oberflächen' in den Erzählungen George Saikos und Rolf Dieter Brinkmanns. - Keyvan Sarkhosh: Wenn die Wirklichkeit aus den Fugen gerät. Über das konfliktbeladene Aufeinandertreffen inkompatibler Glaubens- und Erkenntnissysteme in drei britischen fantastischen Filmen des Jahres 1973 ("The Legend of Hell House", "Don’t Look Now", "The Wicker Man"). - Annette Simonis: Konstruktion und Destabilisierung des Weltbezugs in ausgewählten Erzählfiktionen von Howard Phillips Lovecraft und Haruki Murakami. - Adrian Brauneis: 'Suche nach M.' (1997). Doron Rabinovicis fantastischer Roman zum Umgang mit Schuldgefühlen. - Tobias Lambrecht: Ikonisierung und Fantastik. Möglichkeiten des Weltbezugs von Fiktionen am Beispiel von Helmut Kraussers Roman 'Der große Bagarozy' (1997). - Daniel Lüthi: Jenseits der Todorov'sehen Grenze. Versuch eines Brückenschlags zwischen zeitgenössischer Fantastik und Fantasy anhand von Michel Mettlers Roman 'Die Spange' (2006). - Ingrid Tomkowiak: "all this is going to fade into myth". Gore Verbinskis Relektüren des alten US amerikanischen Westens (2011/2013). - Anna Ertel und Tilmann Köppe: Meta-Fantastik. Ulrike Draesners Erzählung "Rosakäfer" (2011). - 210 Seiten, gebunden (Wissenschaft und Kunst; Band 31/Universitätsverlag Winter 2017)












