
Der Künstler als Augenöffner und Seher?
Yongbo Zhaos Grenzgang zwischen europäischen und chinesischen Bildkulturen. Hrsg. von Semjon Aron Dreiling unter Mitarbeit von Jennifer Jäger. Mit Beiträgen von Studierenden der Universität des Saarlandes und einem Geleitwort von Shan Fan. Der Band nimmt die von 1994 bis 2015 in München entstandenen Arbeiten des zeitgenössischen chinesischen Künstlers in den Blick - motivisch dichte und beziehungsreiche Gemälde und Radierungen, die sich im Diskursfeld um Künstlermigration, Global Art History und Multiple Modernities bewegen. - Aktuell und virulent sind die Themen Migration und Transkulturalität, aber auch die Diskurse um Global Art History und Multiple Modernities. In diesem größeren Kontext verortet sich die mit Studierenden der Universität des Saarlandes realisierte Studie über die motivisch dichten und beziehungsreichen Gemälde und Radierungen des aus der Mandschurei stammenden Künstlers Yongbo Zhao (geboren 1964 in China). Der Sammelband leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis dieses zeitgenössischen chinesischen Künstlers, dessen Werk bislang nur ansatzweise und ohne eine systematische Sichtung der in seinem Oeuvre wirksamen Motivkomplexe erschlossen wurde. In neun Beiträgen widmen sich die Autorinnen und Autoren dem titelgebenden 'Grenzgang' zwischen europäischen und chinesischen Bildkulturen, der daraus resultierenden hybriden Bildsprache, den Strategien dieser transkulturellen Politsatiren sowie dem Selbstverständnis des in Bayern heimisch gewordenen Künstlers. Der Band gliedert sich in drei Abschnitte: 1. Mao und der Versuch einer west-östlichen Synthese. - 2. Politsatire aus transkultureller Perspektive? - 3. Der lachende Künstler und sein Selbstverständnis. - Aus dem Inhalt: Shan Fan: Ein gewaltiger, interkultureller und schockierender Sarkasmus - zum Geleit des Bandes. - Semjon Aron Dreiling: Gefeiert und doch unterschätzt: Yongbo Zhao als Schöpfer transkultureller Bildwelten. - Jacqueline Dominique Müller: Mao und Ophelia. Eine west-östliche Synthese? - Mirjam Kreber: Das Schaf als Heroe. Östliche Konnotationen im Gewand des Mythos. - Mareike Müller: Mao. Klassenmerkmale eines Helden. - Georg Klein: Du musst sehen! Die fette Kröte und der Künstler als Augenöffner. - Alexandra Dietzler: Vom Meister verprügelt. Der chinesische Künstler und seine groteske Bildsprache. - Alexandra Dietzler: Yongbo Zhao und die Kunst der chinesischen Avantgarde und Post-Avantgarde. - Vanessa Haag: Am Busen Europas oder vor Maos Karren gespannt? Zur Bedeutung des multiplen und lachenden Selbstporträts. - Nina Weinerth: Hymne an die Wahlheimat Bayern? Der Künstler unter zechenden Affenmenschen. -- «Wenn man die Bilder von Yongbo Zhao [...] betrachtet, überkommt einen auf den ersten Blick ein schockierendes und ekelerregendes Gefühl, und der sofortige Eindruck entsteht, der Künstler müsse verrückt sein oder eine tiefe Persönlichkeitsstörung haben. Als chinesischer Künstler und Kunstkritiker seiner Generation kann ich allerdings seine Kunst vollkommen verstehen. Wer als Kind so viel Unmenschlichkeit und ideologische Enge zu Zeiten der Kulturrevolution gesehen und selbst erfahren hat, für den ist es nur eine logische Konsequenz, diese Albträume und Traumata in der eigenen Kunstform zu verarbeiten und zum Ausdruck zu bringen - die Kunst ist eben der Spiegel einer Gesellschaft, wenn eine Gesellschaft so unmenschlich konditioniert wird, wie die in China vor mehr als dreißig Jahren, dann werden die Künstler umso mehr diese gesellschaftlichen Zustände in ihrer Kunst verarbeiten und widerspiegeln!« (Shan Fan, aus dem Vorwort). 219 Seiten mit 89 Textabb. sowie 19 Farbtafeln, broschiert (VDG Weimar - Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften 2018)