
Grätzel, Stephan: Verstummen der Natur
Zur Autokratisierung des Wissens. Grätzel zeigt die Fruchtbarkeit von Lebens- und Existenzphilosophie für die Auseinandersetzung mit der Krise der Wissenschaften und den daraus folgenden und damit zusammenhängenden Krisen der Umwelt und Natur und entwickelt Ansätze zu einer Wissenschaftsethik, die das eigentümliche Verschmelzen von Wissen und Leben berücksichtigt. Mit der definitorischen Eigenständigkeit der formalen Sprachen braucht Sprache in der verbreiteten, dem logischen Empirismus entstammenden Wissenschaftstheorie, nicht mehr hinzuhören auf Natur, was bereits und grundlegend bei dem Verhalten zu dem eigenen Körper beginnt. Das Resultat daraus ist nicht nur eine Veränderung des Bildes von der Natur, sondern der Natur selbst: sie verstummt und zieht sich in den Bereich des Unbewußten zurück. Demgegenüber kann im Sinne der Psychosomatik eine Wirklichkeit des Lebens, die sich gegen die Reproduktion wendet, aus dem Verstummen heraus gelesen und verstanden werden. Mit Rückgriffen auf den Zeit-, Raum- und Kausalbegriff der Lebensphilosophie und Existenzphilosophie wird das Verstummen der Natur am wachsenden Umgang mit Reproduktionen nachvollzogen. - Aus der Einleitung: "Die folgende Abhandlung endet mit einer kurzen Darstellung einiger Thesen zur Wissenschaftsethik, die geistig vor allem der Lebensphilosophie verpflichtet sind. Es soll damit aufgezeigt werden, daß sowohl die Krise der Wissenschaften als auch die daraus folgenden und damit zusammenhängenden Krisen der Umwelt und Natur keine neuen Themen sind, für die es erst noch Lösungswege zu suchen gilt. Die theoretische Auseinandersetzung ist vielmehr schon längst geführt, und doch sind die hier vorgebrachten Argumente weder in das Bewußtsein noch gar in das Gewissen der Wissenschaften eingedrungen. Vielmehr hat sich auf der Basis eines breiten Machtgeschäftes, das sowohl auf die Vorherrschaft von Modellen als auch auf die damit verbundenen Bezüge von Forschungsmitteln aus ist, das Grundanliegen der Wissenschaften in Luft aufgelöst. Dieser Ignoranz kann dann auch keine Ethik der Wissenschaften mehr abhelfen. Hier findet nicht einmal eine Korrektur statt". 141 Seiten, broschiert (Königshausen & Neumann 1997) leichte Lagerspuren