
Rudolph, Moritz: Der Weltgeist als Lachs
Andreas Reckwitz in der F.A.Z.: "so viel spielerisch-gebildete Lust an der Geschichtsphilosophie und am lässigen Abräumen diverser Wunschvorstellungen, wie Rudolph sie bietet, findet man selten. Man möchte mehr davon lesen". - In seinem höchst originellen und provozierenden geschichtsphilosophischen Essay erklärt uns Moritz Rudolph unsere Gegenwart - zukünftige Geschichte - auf ganz neue Weise, indem er sie mit dem Objektiv der Dialektik ins Visier nimmt. »Furchtlos und halsbrecherisch spekulativ« (Christian Demand und Ekkehard Knörer, Merkur) beleuchtet er Fukuyamas »Ende der Geschichte«, hebt sie mit Horkheimer aus den Angeln und stellt sie mithilfe einer Neuinterpretion der Kenosis von den Füßen auf den Kopf: Ist es möglich, dass der Weltgeist mit kurzem Zwischenstopp im Silicon Valley erst in China zu sich selbst kommt, um uns plötzlich als künstliche Intelligenz zu erscheinen? Er würde damit Hegel selbst das Fürchten lehren: Wenn Geschichte das ist, was nur von Menschen geschrieben werden kann, dann mag das Ende der Geschichte nah sein. Erste Fassungen der beiden Texte ("Der Weltgeist als Lachs"; "Kommt jetzt der globale Babeuf?") sind im Winter 2019/2020 entstanden. Sie versuchen sich an einer Deutung der Gegenwart, indem sie den geschichtlichen Referenzen nachspüren, die diese macht. Der erste Text entwirft eine geschichts- und geophilosophische Skizze zu den Verschiebungen des epochalen Hauptortes von Ost nach West nach Ost, an deren Ende China als neues Zentrum dasteht und der Mensch abgetreten ist. Der Text war gerade abgeschlossen, da blitzte mit der Corona-Krise eine Möglichkeit auf, sich diesen Übergang als Bruch vorzustellen. Es ist nicht so, dass die Gesundheitskrise schon dieser Bruch sein muss, aber sie gibt Linien vor, die fortgesetzt werden könnten, sodass man vielleicht einmal sagen wird, es war eigentlich alles schon da. So ergeben beide Texte eine Konstellation. Der zweite Text füllt den ersten auf. Er nimmt Corona als Tendenzbeschleuniger. Dabei wechseln die Begriffe: Während der erste beobachtet, wohin der Weltgeist wandert, fragt der zweite nach den politischen Formen und Inhalten, die er dabei annimmt. Natürlich sind beide Texte spekulativ. Man kann nicht sagen, welcher es mehr ist: Der erste spekuliert übers Ganze, der zweite übers Detail. 3. Auflage. 126 Seiten, broschiert (Fröhliche Wissenschaft; Band 181/Matthes & Seitz Berlin 2025) leichte Lagerspuren