
Scheuing, Hans-Werner: »... als Menschenleben gegen Sachwerte gewogen wurden«
Die Geschichte der Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache Mosbach / Schwarzacher Hof und ihrer Bewohner 1933-1945. Mit einem Vorwort zur zweiten Auflage. Am Beispiel der Anstalt Mosbach/Schwarzacher Hof in Baden wird die Entwicklung einer kirchlichen Einrichtung für geistig behinderte Menschen im Dritten Reich beschrieben. Wie sah der Alltag der Heimbewohner aus? Wie finanzierte sich eine kirchliche Anstalt unter einer antikirchlichen Regierung? Wurden Heimbewohner zwangssterilisiert? Gab es Menschenversuche? Wie kam es zum Tod von 262 behinderten Menschen? Welche Rolle spielte der Rüstungsbetrieb Daimler-Benz? Die Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache Mosbach und Schwarzacher Hof war die »Anstalt des Hinterlandes« im Lande Baden. Für die Bewohner von Mosbach lag sie »draußen« vor der Stadt. Auch die Bewohner von Unterschwarzach haben den Schwarzacher Hof kaum wahrgenommen. So hat die Anstalt schon vor Ort kaum eine Rolle gespielt, und auch überregional trat sie nicht in Erscheinung. Aus ihrer Geschichte im Dritten Reich wurden im Grunde nur die Todestransporte von 1940 und 1944 in Literatur sowie wissenschaftlichen Arbeiten und Veröffentlichungen angesprochen. Im Zentrum dieser Arbeit stehen diese Todestransporte, und dennoch betritt sie im wesentlichen Neuland. Neu sind nicht nur die Ergebnisse, neu sind auch Ansatz und Vorgehensweise der Untersuchung. Grundlage der Darstellung ist erstmals die Aufarbeitung der gesamten Entwicklung der Anstalten am Ende der Weimarer Republik und im Dritten Reich, die sich nicht nur auf die auffälligsten Ereignisse beschränkt. Erst durch die Erforschung der bisher ungeschriebenen Geschichte des Schwarzacher Hofes konnte ein vollständiges Bild der Geschichte der Gesamt-Anstalt entstehen. Euthanasie und die Grenzen medizinischer Wissenschaft und Forschung werden immer stärker ins Gespräch gebracht. Die kritische Aufarbeitung geschichtlicher Erfahrungen ist ein wichtiger Beitrag zu dieser Diskussion. Die Ergebnisse langjähriger wissenschaftlicher Forschung sind in allgemein verständlicher Sprache dargestellt. Zahlreiche bisher unveröffentlichte Photos veranschaulichen das historische Geschehen. Für manche ehemalige und derzeitige Heimbewohner der Anstalt Mosbach/Schwarzacher Hof ein Stück eigener Lebensgeschichte, für Angehörige eine umfassende Information über Leben und Sterben von Heimbewohnern, für Mitarbeiter ein Anlass über die Geschichte der eigenen Arbeit nachzudenken, für Bewohner der Region ein Stück Heimatgeschichte - ein Lehrstück, das zur Stellungnahme herausfordert, wenn auch in heutiger Zeit "Menschenleben gegen Sachwerte gewogen" werden. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. XVII,543 Seiten mit 150 Abb., gebunden (Universitätsverlag Winter 2004)