Hintzen, Holger: Paul Raphaelson und Hans Jonas
Ein jüdischer Kapo und ein bewaffneter Philosoph im Holocaust. Ein Jude, der als Handlanger der SS hingerichtet wird, und ein Philosoph, der bewaffnet gegen die Nazis kämpft: ausgehend von der flüchtigen Bekanntschaft zwischen Jonas und Raphaelson rekonstruiert Hintzen in einer Parallelmontage die Biographien der beiden Männer. Weiter können sich Lebenswege kaum entzweien als die von Paul Raphaelson (1906-1947) und Hans Jonas (1903-1993). Fast gleichzeitig als Söhne jüdischer Fabrikantenfamilien in Mönchengladbach geboren, schienen ihnen sorgenfreie Karrieren gezeichnet zu sein. Doch in den Wirren der Weimarer Republik und unter dem Terror des NS-Regimes nehmen ihre Lebensläufe andere Bahnen. Der Emigrant Hans Jonas zieht als alliierter Soldat in den Krieg. Paul Raphaelson, verarmt und von der Gestapo drangsaliert, wird in einem Arbeitslager des Ghettos Theresienstadt als Aufseher zum Folterknecht. Nach Kriegsende treffen die beiden Männer in ihrer Heimatstadt aufeinander. Jonas will helfen, die Schuld des als Kriegsverbrecher gesuchten Raphaelson zu klären. Ein Unterfangen, das tief in eine moralische Grauzone führt: Was darf ein Mensch tun, um in der Hölle des Holocausts sein Leben zu retten? "Holger Hintzen nimmt die eher flüchtige Bekanntschaft zwischen Jonas und Raphaelson zum Ausgangspunkt, um die Biographien der beiden Männer in einer Parallelmontage zu rekonstruieren. Er tut dies mit vorbildlichem Sinn für historische Gerechtigkeit und Sensibilität für die Problematik eines "jüdischen Täters" im Kontext des Holocaust. [...] Wie Kippfiguren eines paranoiden Schicksals treten die beiden Hauptpersonen hervor. [...] Überzeugend plädiert Hintzen dafür, mit dem heutigen Wissen um die Grausamkeit der Überlebensnot im Lager die Figur des gefolterten Folterknechts als Schreckensgestalt des zwanzigsten Jahrhunderts zu sehen, die jegliche moralische Eindeutigkeit verbietet" (Christiane Liermann in der F.A.Z.). 362 Seiten, gebunden (Greven Verlag 2012)












