Bibliothek und Wissenschaft. Band 56 (2023-2024): Verboten, beschlagnahmt, geraubt/Banned, Confiscated, Looted
NS-Bibliothekspolitik und -praxis in Europa/Nazi Library Policy and Practice in Europe. Hrsg. von Claude D. Conter und Jean-Marie Reding. 'Bibliothek und Wissenschaft' publiziert Untersuchungen zu Bibliotheksbeständen, Texten, Sammlungen und Quellengattungen sowie kultur- und wissenschaftshistorische Beiträge zur Geschichte und Methode der Bibliotheksarbeit. Die 15 Aufsätze dieses Bandes wurden auf zwei Kapitel verteilt: der erste bezieht sich vor allem auf die Bestandspolitik von zwei Bibliotheken im "Dritten Reich" und die Auswirkungen auf die besetzten Gebiete. So beschäftigten sich Michael Knoche und Jörg Räuber mit der Deutschen Bücherei Leipzig, wobei der erste sich der Luxemburgensia und der zweite sich tschechischen Büchern und Zeitschriften widmet. Das Duo Klaus Kempt und Susanne Wanninger untersuchten die intendierte Erwerbungspolitik der damaligen Direktion der Bayrischen Staatsbibliothek. Im zweiten Teil folgen in alphabetischer Reihenfolge die Berichte aus den vom NS-Regime annektierten und besetzten Gebieten, bzw. den Ländern mit ihren heute gültigen Grenzen. Die große Mehrheit der Artikel handelt von Bibliotheksplünderungen, Literaturverboten, Zensur bzw. Zensurversuchen und sonstigen auferlegten Beschränkungen. Einige gehen auch auf die Personalpolitik ein, insbesondere die jüdischen Bibliotheksmitarbeiter betreffend; andere beschränken sich auf bestimmte Bibliothekstypen. Gemeinsam ist allen Beiträgen die Erkenntnis, dass in jedem Gebiet eine andere Bibliothekspolitik vorherrschte, selbst wenn es sich um Nachbarländer handelte. Es war von vornherein klar, dass jedes Gebiet ein besonderes rechtliches Statut unter der NS Herrschaft innehatte, sei es als Teil des deutschen Staates, als Militärverwaltung, als Reichskommissariat, als Reichsprotektorat oder als Zivilverwaltung. Daraus wird auch deutlich, dass eine europaweit gültige einheitliche NS-Bibliothekspolitik keineswegs existierte und es unterschiedliche Formen der Umsetzung gab - von der Durchführung einzelner Bestimmungen über die Adaptation von Praktiken, die im "Dritten Reich" gängig waren, bis hin zu eigenständigen Entwicklungen und Praktiken. Manche Analysen berichten von teils chaotischen Zuständen und Kompetenzgerangel innerhalb der NS-Verwaltungen, die auch davon zeugen, dass innerhalb der besetzten Gebiete nicht von einer einheitlichen NS-Bibliothekspolitik und -praxis gesprochen werden kann. X,266 Seiten mit einigen Abb. und Tabellen, broschiert (Bibliothek und Wissenschaft; Band 56/Harrassowitz Verlag 2024) leichte Lagerspuren/minor shelfwear












