
Garstka, Christoph: Geschichte und kommunistische Gegenwart
Historiosophische Positionen und ihre narrative Präsentation in Essay und Roman der Volksrepublik Polen. Mit einem Anhang von Jan Kott: Über laizistische Tragik. - Welche "großen Erzählungen" der polnischen Geschichte sind in Roman und Essay in der Volksrepublik Polen gestaltet worden? Die Analyse zeigt erstaunliche Gemeinsamkeiten zwischen systemkonformen und als "Gegenerzählungen" konzipierten Konfigurationen. - Der Kern nationaler Identität ist im Wesentlichen in den kollektiven Erzählungen einer Gemeinschaft zu finden. Die Polen gelten als ein geschichtsbesessenes Volk. Die vorliegende Studie will diesem gängigen Klischee nachgehen. Welche "großen Erzählungen" ihrer Geschichte sind in Roman und Essay in der Volksrepublik Polen gestaltet worden? Die Analyse offenbart erstaunliche Gemeinsamkeiten zwischen systemkonformen Konfigurationen der Historie im Sinne des historischen Materialismus und solchen, die eigentlich als "Gegenerzählungen" einer auf romantischen Traditionen aufbauenden Schreibweise oppositioneller Autoren konzipiert sind. Als tatsächliche Opposition, so die Hauptthese der Untersuchung, erweisen sich vor diesem Hintergrund jene Werke, die die Möglichkeit von Sinnstiftungen in narrativen Rekonstruktionen von Historie problematisieren oder sogar ganz ablehnen und im Sinne von Witold Gombrowicz versuchen sich der "Form zu entziehen und über Polen emporzuschwingen". Die Absicht der Untersuchung besteht nicht in einer möglichst vollständigen kommentierenden Auflistung historischer Belletristik und Publizistik aus dem Zeitraum von 1944-1989 in Polen. Vielmehr sollen anhand ausgewählter Beispiele Muster der Repräsentation von Geschichte in der Volksrepublik (und im Exil) konturiert und die bisher weitgehend auf inhaltlich-thematische Elemente beschränkte Zuordnung einzelner Werke in die polnische Kultur- und Literaturgeschichte um eine erzählstrategische und auf unterschiedliche Schreibweisen bedachte Komponente erweitert werden, die die im 'Ostblock' einzigartige kulturelle Situation Polens differenzierter zu charakterisieren vermag. 531 Seiten, gebunden (Beiträge zur slavischen Philologie; Band 19/Universitätsverlag Winter 2016)