
Kasper, Monika: »Das Gesez von allen der König«
Hölderlins Anmerkungen zum Oedipus und zur Antigonä. Um den Dichtern eine bürgerliche Existenz zu sichern, sei es gut, wenn man die Poesie zur Mechane der Alten erhebe. Der modernen Poesie fehle es am Handwerksmässigen, beklagt Hölderlin in den Sophokles-Anmerkungen, seiner letzten poetologischen Äusserung, und verspricht eine Verfahrungsart zu lehren, die berechnet und immer zuverlässig wiederholt werden könne: das Gesetz. Diese Studie ist eine Interpretation der Sophokles-Anmerkungen unter dem Gesichtspunkt des Gesetzes. Das Gesetz bestimmt die Beziehung zwischen dem Menschen und dem, was ihm entzogen ist: Aus der Beziehung des Menschen zu Gott, Natur, Geschichte gehen der schöpferische Prozess und das Kunstwerk hervor. Auch alle weiteren Verhältnisse, die im Rahmen dieser Dichtungstheorie von Bedeutung sind, wie beispielsweise Poesie-Poetologie oder Werk-Rezipient, gehorchen dem einen Gesetz der Reflexion. Tragödie und Übersetzung sind die beiden literarischen Formen, in denen sich die Struktur und Dynamik dieser Beziehung manifestieren. In den Anmerkungen dagegen prägt sich das Gesetz zu einer Dichtungstheorie aus, die vor allem dem Prozess des Dichtens und seiner Auswirkung auf den Status des Gedichteten Beachtung schenkt. Monika Kasper entfaltet diese Poetologie in der Auseinandersetzung mit Hölderlins Geschichtsphilosophie, seiner Tragödien- und seiner Übersetzungstheorie.Der erste Teil der Arbeit befasst sich mit den formalen Aspekten der Tragödie. Es geht um die für Hölderlin zentrale Frage der Zäsur, aber auch um das Gattungsproblem und um die Auszeichnung der Tragödie gegenüber den anderen Dichtarten. Im zweiten Teil wird die komplexe Beziehung zwischen dem Griechischen und dem Hesperischen ermittelt. Die Geschichte ist für Hölderlin nicht nur eine lineare Entwicklung, in deren Verlauf das Griechische durch das Hesperische überwunden und abgelöst würde. Beide sind vielmehr aufeinander angewiesen und können nur in ihrem Zusammenwirken verstanden werden, in dem sich erst das Gesetz manifestiert. Der dritte Teil beschäftigt sich zur Hauptsache mit der Übersetzung und situiert diese innerhalb von Hölderlins Spätwerk, das als Ausprägung des Hesperischen gilt. Mit dem Gesetz der Reflexion hat Hölderlin in den Anmerkungen einer Theorie von Dichtung und Erkenntnis Gestalt gegeben, die vor allem dem Prozess des Erkennens und seiner Auswirkung auf den Status des Geschaffenen und Erkannten Beachtung schenkt. 219 Seiten, broschiert (Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft; Band 265/Königshausen & Neumann 2000) leichte Lagerspuren