
Karl Jaspers - Philosophie und Politik
Hrsg. von Reiner Wiehl und Dominic Kaegi. Mit Beiträgen von Ernst Benda, Klaus von Beyme, Volker Gerhardt, Alfred Grosser, Elmar Holenstein, Hermann Lübbe, Ram Adhar Mall, Kurt Salamun, Hans Saner, Reiner Wiehl und Richard Wisser sowie einem unveröffentlichten Text von Karl Jaspers über »Politische Stimmungen« (1917). Unter den Themenfeldern "Politische Philosophie und Zeitkritik", "Ethik und Politik", "Weltphilosophie und Interkulturalität" sowie "Konfrontationen" unterziehen zwölf Beiträge in unterschiedlicher Form und in Nähe und Distanz zu Jaspers seine politische Philosophie einer kritischen Prüfung. Die Beiträge gehen zurück auf das Internationale Symposium "Karl Jaspers - Philosophie und Politik", Heidelberg 2.-4. April 1998; veranstaltet von der Karl Jaspers-Stiftung Basel in Verbindung mit den Philosophischen Seminaren der Universitäten Heidelberg und Basel. - Karl Jaspers' politische Philosophie hat man häufig aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus motiviert: der persönlichen Bedrohung, der Gleichgültigkeit des öffentlichen Bewusstseins, dem fast vollständigen Versagen auch der akademischen Institutionen im Dritten Reich. In der Tat sind die Analysen zur Schuldfrage und die Warnung vor neuerlichen totalitaristischen Tendenzen der Bundesrepublik ohne diese Erfahrungen nicht zu verstehen. Dennoch akzentuieren sie nur in besonderer Schärfe einen Zusammenhang zwischen Philosophie und Politik, der für Jaspers immer bestand: "Philosophie ist nicht ohne politische Konsequenzen", Konsequenzen, die offenzulegen zum Begriff des Philosophierens selbst gehört: "Was eine Philosophie ist, zeigt sie in ihrer politischen Erscheinung". Entgegen den vor allem mit dem Stichwort Existenzphilosophie verbundenen Vorurteilen einer bloß appellativen Haltung bezieht Jaspers damit die Politik in exemplarischer Weise auf philosophische Grundlegungsfragen. Im ersten Abschnitt ("Politische Philosophie und Zeitkritik") soll die Verhältnisbestimmung von Philosophie und Politik bei Jaspers vor dem Hintergrund des jeweils aktuellen Zeitgeschehens zur Sprache kommen: die Verankerung des Politischen in Begriffen der existentiellen Freiheit und Kommunikation, die die Politik auf humane Wertideen verpflichtet, damit freilich auch in die Gefahr eines idealistischen Verständnisses von Politik läuft. Mit den normativen Gehalten in Jaspers' Konzeption des Politischen beschäftigt sich der zweite Abschnitt ("Ethik und Politik"), teils systematisch in bezug auf die Begriffe des Überpolitischen und der Selbstbestimmung des Einzelnen, teils in der Anwendung auf das Problem politischer Identität bzw., am Beispiel Jaspers - Heidegger, die "Vision einer kommunikativen Kritik". Der dritte Abschnitt ("Weltphilosophie und Interkulturalität") ergänzt die beiden ersten um eine Perspektive, die sich im Werk Jaspers' erst spät herausgebildet hat und deren Umsetzung fragmentarisch geblieben ist: die Idee einer Weltphilosophie vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit menschlicher Kulturen. Unter dem Stichwort "Konfrontationen" sollen abschließend, im Rückblick auf Jaspers' umstrittenste politische Schrift 'Wohin treibt die Bundesrepublik?' Einsichten und Grenzen der politischen Philosophie von Jaspers diskutiert werden: Einsichten, die sich aus hohen moralischen Ansprüchen, und Grenzen, die sich aus überhöhten moralischen Ansprüchen an die Politik ergeben. Eine zentrale Rolle spielt dabei auch das Selbstverständnis des politischen Philosophen Jaspers, als Anwalt demokratischer Interessen aufzutreten, die er durch das Metier der Berufspolitik desavouiert sah. -- Aus dem Inhalt: Kurt Salamun: Die Vieldimensionalität von Jaspers' Denken und dessen Relevanz für die Politik. - Hermann Lübbe: Moralische Entscheidung, politische Option und der Lauf der Welt. Karl Jaspers als politischer Denker. - Klaus von Beyme: Zeitkritik. Von der Kulturkritik zur Politikkritik im Werk von Karl Jaspers. - Reiner Wiehl: Jaspers' Bestimmung des Überpolitischen. - Volker Gerhardt: Existentieller Liberalismus. Zur Konzeption der Politik bei Karl Jaspers. - Richard Wisser: Zum Briefwechsel Martin Heidegger - Karl Jaspers. Jaspers' Vision einer "kommunikativen Kritik". - Alfred Grosser: Identitäten heute. Die Wertbezogenheit der Politik. - Ram Adhar Mall: Interkulturelle Philosophie und deren Ansätze bei Jaspers. - Elmar Holenstein: Die Kulturgeschichte der Menschheit. Ihre Konzeption bei Hegel (bis 1831), bei Jaspers (1949) und heute (1999). - Hans Saner: Die Allianz der Ungleichen. Zur kritischen Aufnahme von Jaspers' Schrift "Wohin treibt die Bundesrepublik?" - Ernst Benda: Wohin treibt die Bundesrepublik? Ein subjektiver Blick zurück. - Ernst Benda/Hans Saner/Reiner Wiehl: Existenz und Freiheit. Zum Verhältnis von Philosophie und Politik bei Karl Jaspers. - 267 Seiten, gebunden (Beiträge zur Philosophie. Neue Folge/Universitätsverlag Winter 1999)